Ortsgruppe Ellwangen
                    
Vom Kocher zur Jagst und zurück zum Kocher am 12.10.2014

Unter den Flüssen in Deutschland oder sogar in Europa besteht die Besonderheit von Kocher und Jagst darin, dass sie von der Quelle bis zur Mündung nahezu parallel fließen und dann in denselben Fluss, den Neckar, münden. Der Ur-Kocher floss dagegen zur Donau; als Folge davon gibt es die kaum wahrnehmbare Talwasserscheide beim Ziegelhof zwischen Oberkochen und Königsbronn. Wegen der tieferen Erosionsbasis und des damit verbundenen größeren Gefälles Richtung Neckar wurde der Fluss jedoch angezapft und umgelenkt (Neckar an der Kochermündung bei Bad Friedrichshall: 178 m; Donau an der Brenzmündung bei Gundelfingen: 478 m). Viele Nebenflüsse von Kocher und Jagst haben dagegen die ursprüngliche Fließrichtung in Richtung Donau beibehalten, z.B. Lein, Blinde Rot, Frankenbach, Rotenbach, Röhlinger Sechta oder die Rot bei Rechenberg.

Mal sind Kocher und Jagst weit voneinander entfernt, z.B. zwischen Crailsheim und Schwäbisch Hall. An vier Stellen kommen sie sich jedoch ziemlich nahe, nämlich zwischen

  1. Hüttlingen und dem Bucher Stausee
  2. Langenburg und Kocherstetten
  3. Forchtenberg und Schöntal
  4. und schließlich münden beide Flüsse im Abstand von wenig mehr als einem Kilometer bei Bad Friedrichshall in den Neckar

Ellwangen liegt zwar an der Jagst. Flussabwärts jenseits von Crailsheim wird das Tal jedoch unwegsam; bis Kirchberg ist dort kein Platz für Verkehrswege. Und weil der Verlauf der Jagst einen großen Bogen macht, eignet er sich auch nicht für eine direkte Verkehrsverbindung. Als Folge davon ist das Jagsttal jenseits von Crailsheim aus Ellwanger Sicht wenig bekannt.

Um diesem Umstand abzuhelfen, wurde eine Wanderung in die Gegend geplant, wo sich Kocher und Jagst - abgesehen von der Mündung - am nächsten kommen: beim Stolzenhof zwischen Jagsthausen und Sindringen am Kocher (seit 1972 eingemeindet in die Stadt Forchtenberg) sind die beiden Flüssen nur vier Kilometer voneinander entfernt.

Die Wanderung war dann folgendermassen ausgeschrieben:

Junge Mitte: Wanderung am So., 12.10. vom Kocher zur Jagst und zurück (17.5 km / 4 Std.): von Forchtenberg-Sindringen über Jagsthausen, Berlichingen, Schöntal und den Muthof nach Forchtenberg. Treffpunkt: 9.20 Uhr am Lidl-Parkplatz; von dort mit Pkw (Mitfahrgelegenheit!) zum Bahnhof Schwäbisch Hall, weiter mit Zug (10.12) und Bus über Öhringen nach Sindringen (11.10); Rückfahrt ab Forchtenberg 17.39, zurück in Ellwangen ca. 19.30 Uhr. Mittagseinkehr; auch Rucksackvesper möglich. Führung: Anneli Hirschmiller-Fischer

Zu sonntagsgemäß angenehm später Stunde (dies war dem Fahrplan zu verdanken!) hatten sich am Treffpunkt bei trockenem, aber zunächst wenig sonnigen Wetter immerhin 16 Personen eingefunden, darunter ein Kind. Mit drei Fahrzeugen ging es zum Bahnhof Schwäbisch Hall und nach Fahrkartenkauf schon knapp zehn Minuten später mit dem Zug weiter nach Öhringen; dort wurde umgestiegen in den Bus ins Kochertal.

Kurz nach elf Uhr konnte die Wanderung schließlich beginnen. Sindringen bietet keine besonderen Sehenswürdigkeiten; dass es früher eine Stadt war, kann man an der teilweise noch erhaltenen Stadtmauer erkennen. Bis Jagsthausen folgte man der Markierung des Limes-Wanderweges. Der obergermanische Limes verläuft von Walldürn und dem Haghof bei Pfahlbronn (zwischen Lorch und Welzheim gelegen) auf 81 km Länge auf einer nahezu schnurgeraden Linie; von dort setzt er sich unter Richtungsänderung fort als rätischer Limes bis zur Donau bei Eining (unweit vom Weltenburger Donaudurchbruch).

Von der Höhe aus hatte man einen schönen Blick flussabwärts Richtung Widdern zur Jagsttalbrücke der Autobahn von Heilbronn nach Würzburg. Die Wegmarkierung war meistens ordentlich, hat uns aber an einem unübersichtlichen Wegabschnitt - dort, wo der steile Abstieg ins Jagsttal einsetzt - zunächst in die Irre laufen lassen. Dies führte zu kurzem Zeitverzug, aber an der fraglichen Stelle wurden wir unerwartet Zeuge eines Tierdramas: ein Hirsch wurde von zwei Wölfen angegriffen!

Tierdrama beim Stolzenhof Berlichingen-Begräbnisstätte in Jagsthausen Kloster Schöntal an der Jagst

Für eine Besichtigung von Jagsthausen, bereits im Landkreis Heilbronn gelegen, hat die Zeit nicht ausgereicht; schon vor der Jagst sind wir beim Friedhof - dort befindet sich eine eindrucksvolle neugotische Grabstätte derer von Berlichingen - abgebogen jagstaufwärts Richtung Schöntal. Entlang den traurigen Resten der ehemaligen Jagsttalbahn mit überwachsenen Gleisen ging es teilweise dem Steilufer der Jagst entlang über Berlichingen nach Schöntal. Nach Durchqueren des ehemaligen Klosterbezirkes erreichten wir gegen 13:45 das Gasthof Post zur versprochenen und nach 10 km Wanderstrecke auch wohlverdienten Mittagseinkehr. Im Inneren gab es wenige freie Plätze, aber nachdem es inzwischen sonnig geworden war, konnten wir alle im Freien Platz nehmen.

Mittagseinkehr im „Gasthof zur Post" in Schöntal an der Jagst

Das Kloster Schöntal war 1806 nach dem Übergang an Württemberg aufgehoben und später in ein evangelisches Stift umgewandelt worden; seit 1975 befindet sich darin eine Bildungsstätte der katholischen Diözese Rottenburg-Stuttgart. Nach individueller Besichtigung der Klostergebäude - dort gibt es ein eindrucksvolles barockes Treppenhaus; das Innere der Kirche war dagegen eingerüstet - traf man sich um 15 Uhr am Kirchenportal.

Kloster Schöntal an der Jagst

Bis Forchtenberg lagen noch 8 km vor uns. Entlang einer kleinen Schlucht erfolgte der Aufstieg zur Wallfahrtskirche Neusaß, dem ursprünglichen Standort des später nach Schöntal verlegten Klosters. Wegen eines Gottesdienstes haben wir auf eine Innenbesichtigung verzichtet. Anschließend kamen wir erstmals an diesem Tag für eine knappe Stunde durch einen Wald mit sehr schönem Baumbestand. Nach Durchqueren der Ortschaft Muthof - das dortige Wirtshaus hatte leider seinen Betrieb eingestellt - erreichte man am Rande der Ebene die Robert-Gradmann-Hütte. Von dort bietet sich ein schöner Blick ins tief eingeschnittene Kochertal mit der Stadt Forchtenberg. - Robert Gradmann (1865 - 1950) wurde bekannt als Geograph und Landeskundler. Als junger Pfarrer war er einige Jahre in Forchtenberg tätig.

Wallfahrtskirche Neusaß Blick von der Robert-Gradmann-Hütte auf Forchtenberg im Kochertal Forchtenberg, Würzburger Tor

Über eine sehr steile und unebene Treppe, die sogenannte Mutstaffel, erfolgte der Abstieg ins Kochertal. Nach weiteren zehn Minuten hatte man gegen 17:10 die Kocherbrücke erreicht; dort befindet sich auch die Bushaltestelle. Bis zur Abfahrt war noch eine halbe Stunde Zeit für eine kurze Einkehr oder Stadtbesichtigung.

Die Rückfahrt erfolgte programmgemäß. Bei der Verabschiedung am Bahnhof Schwäbisch Hall bedankte sich der OG-Vorsitzende Udo Bäuerle bei der Wanderführerin.

Die Wanderstrecke war lediglich durch Studium der Landkarte und der Fahrpläne herausgesucht worden. Aus zeitlichen Gründen sowie schlechten Wetters an den Vortagen konnte keine Vorwanderung durchgeführt werden. Eine solche hätte allenfalls folgende Änderungen gebracht:

  1. keine Suche nach dem Abstieg ins Jagsttal (Zeitverzug: 5 Minuten)
  2. Besuch des Friedhofs von Jagsthausen mit dem Familiengrab der Berlichinger
  3. Besuch der Kreuzkapelle auf dem Weg von Schöntal nach Neusaß
  4. Hinweis auf die Möglichkeit, zum Abstieg ins Kochertal die wenig befahrene Straße anstatt der steilen Treppe zu benutzen
Die Einkehrmöglichkeiten wurden im Internet recherchiert und und telefonisch vereinbart.

Die etwas komplizierte Kombination von Pkw, Bahn und Bus hat sich daraus ergeben, dass für die Fahrt von Schwäbisch Hall nach Forchtenberg die sogenannte „Tageskarte Plus" des Heilbronner Verkehrsverbundes benutzt werden kann, zum Preis von EUR 17.50 für fünf Personen; da die Gruppe gerade 15 Wanderer (und ein Kind) umfasste, waren dies pro Person nur EUR 3.50. - Von solchen Angeboten können wir im Ostalbkreis nur träumen; bei OstalbMobil gibt es nicht mal Tageskarten! - Für die Strecke von Ellwangen nach Hall hätte man bis Crailsheim den IC benutzen müssen, was zu ungleich höheren Fahrpreisen geführt hätte. Außerdem ist bekanntlich die Straßenverbindung von Ellwangen nach Hall kürzer (um 17 km) und damit schneller als die Bahnstrecke über Crailsheim, deshalb wurde hier mit dem Auto gefahren. Wäre man mit dem Pkw weitergefahren nach Forchtenberg, hätte man doch eine Busfahrkarte kaufen müssen für die Fahrt nach Sindringen, und diese hätte ähnlich viel gekostet wie der anteilige Preis der Tageskarte. Deshalb wurden für die Strecke von Schwäbisch Hall nach Forchtenberg (Straßenentfernung 30 km) die öffentlichen Verkehrsmittel benutzt.

Radwegbrücke zwischen Jagsthausen und Berlichingen Berlichingen, Kath. Pfarrkirche St. Sebastian
Wanderführung: Anneliese Hirschmiller-Fischer anneli.fischer@web.deText und Photos: Wolfgang Fischer (23.10.2014)

Bearbeitungsstand: 29.05.2022

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